Können sich Italiener bald kein Olio Extra Vergine mehr leisten? (2024)

Im Süden genügend und im Norden zu wenig Oliven: Italien klagt über hohe Preise für Olivenöl. Das hat auch mit Spanien zu tun.

Luzi Bernet, Rom

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Ohne Olivenöl geht gar nichts: kaum ein italienisches Gericht, das nicht mit einem Schuss guten Olivenöls abgeschmeckt wird. «Un filo d’olio» – frei übersetzt: ein Spritzerchen Öl – gehört auf die neapolitanische Pizza ebenso wie auf frisches Grillgemüse. Ja sogar bei Süssigkeiten wird in Italien zunehmend mit Olivenöl experimentiert.

Einzige Bedingung: Es muss ein gutes Öl sein. «Olio extra vergine» oder «natives Olivenöl extra», wie es nördlich der Alpen auch genannt wird, ist ein Muss für diesen Verwendungszweck. Jede und jeder hat in Italien sein und ihr Lieblingsöl, oft aus eigenem Anbau oder aus dem Olivenhain von Freunden und Verwandten. Gerade ist die Ernte in weiten Teilen Italiens zu Ende gegangen.

42 Prozent teurer

Doch der Spass wird allmählich teuer – zu teuer für viele Familien. Die Preise für natives Olivenöl extra sind 2023 um satte 42 Prozent gestiegen. Es handelt sich damit um das Produkt mit dem höchsten Preisanstieg in den Einkaufswagen der Familien, wie es im jüngsten Bericht des italienischen Landwirtschaftsverbandes Coldiretti heisst.

In der Folge sind die Verkäufe eingebrochen. In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres sind die Verkäufe von «olio extra vergine» in Italien um 9 Prozent gesunken. Auch weltweit ist ein Rückgang festzustellen: Nach Angaben der EU-Kommission ist der weltweite Konsum von Olivenöl (aller Klassen) um 18 Prozent zurückgegangen.

Die Ursachen sind vielfältig. In Spanien, wo am meisten Olivenöl produziert wird, hat die extreme Trockenheit der letzten Zeit den Plantagen zugesetzt. Laut der Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» werden in Spanien Olivensorten angebaut, die viel Wasser benötigen, dreimal mehr als diejenigen in Italien. Ist die Wasserzufuhr limitiert, leidet die Produktion – und die Preise steigen. Ähnliche Entwicklungen sind in der Türkei und in Griechenland festzustellen.

Das bleibt auch in Italien nicht folgenlos. Denn drei von vier in Italien konsumierte Flaschen «olio extra vergine» enthalten ausländisches – meist spanisches – Olivenöl, wie Coldiretti schreibt. Wird dieses teurer, steigen auch die Preise hierzulande.

In Italien selbst ist die Produktion derweil grösseren Schwankungen unterworfen. Noch sind nicht alle Daten der diesjährigen Ernte verfügbar. Doch erste Trends sind sichtbar. Laut Coldiretti verzeichnet der Süden des Landes einen Produktionszuwachs von nativem Olivenöl um 34 Prozent, während im Zentrum und im Norden ein Rückgang von rund einem Drittel absehbar ist. Die Gesamtmenge dürfte bei rund 290000 Tonnen liegen, etwas unter dem Durchschnitt der letzten vier Jahre.

Erholung in Apulien

Bemerkenswert sind die ansehnlichen Zahlen aus Süditalien insofern, als dort in den letzten Jahren das Bakterium Xylella fastidiosa verheerende Schäden in den Olivenhainen angerichtet hat. Die davon besonders betroffene Region Apulien weist dieses Jahr laut dem Verband einen Produktionszuwachs von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf. Ähnliches gilt für Kalabrien, während sich Abruzzen und Basilicata allmählich erholen und Sizilien im Rahmen des Vorjahres abschliesst.

Können sich Italiener bald kein Olio Extra Vergine mehr leisten? (2)

Das Zentrum und der Norden hingegen litten dieses Jahr erneut unter den extremen Witterungsschwankungen. Je nach Lage der Olivenhaine fiel wegen des feuchten Wetters die Bestäubung aus – der Blütenstaub war teilweise komplett verklebt. Entsprechend gibt es Ernteausfälle von bis zu 100 Prozent. Gewisse Lagen wiederum überstanden das wechselhafte Wetter nahezu ohne Schäden.

Der Verband der italienischen Ölproduzenten, Assitol, sieht in den Preissteigerungen eine Chance. Man müsse die jetzige Situation nutzen, zitiert «Il Sole 24 Ore» Anna Cane, die Präsidentin von Assitol. Es müsse das Ziel sein, natives Olivenöl aufzuwerten, auch wenn dies kurzfristig zu einem weiteren Rückgang des Konsums führe, sagte sie. Erforderlich sei nun eine grossangelegte Werbekampagne, die den Verbrauchern erkläre, wie wertvoll Olivenöl für die Gesundheit sei.

Die Regierung ihrerseits will den Anbau von Olivenbäumen in Italien und den Ausbau der heimischen Produktion fördern. Mit Mitteln aus den europäischen Wiederaufbautöpfen sollen in den nächsten Jahren entsprechende Investitionen getätigt werden. «Olio extra vergine» soll künftig zwar vielleicht teurer, dafür aber zu 100 Prozent italienisch sein.

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